Krankenkasse zahlt nicht – was tun?
Obwohl es in Deutschland, Österreich und der Schweiz das Prinzip der Daseinsfürsorge gibt, fallen Menschen durch die Maschen. Trotz weitreichender Gesundheitsversorgung und guter sozialer Infrastruktur gibt es finanzielle Bedarfe. Dem Gesetz folgend übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung Kosten für medizinisch notwendige Behandlungen, Vorsorge und Reha-Maßnahmen, sowie die Zahlung des Krankengeld. Für viele Krankheitsbilder, Medikamente und Therapien gibt es jedoch Grenzwerte. Wie die Kostenübernahme durch die Krankenkasse funktioniert, wie Kostenerstattungsverfahren ablaufen ändert sich anhand derer immer wieder. Anhand derer ändert sich immer wieder, welche Leistungen von der Krankenkassen übernommen wird und welche nicht. Auch private Krankenversicherungen entscheiden nach Leistungskatalogen.
Immer mehr Menschen nutzen daher einen Spendenaufruf auf GoFundMe zur Finanzierung von Behandlungen, bei Krankheit, für spezielle Therapiekosten oder für Zusatzleistungen.
Die Krankenkasse zahlt nicht. Warum?
Generell gilt: Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt die Kosten für die gesamte Behandlung von Krankheiten, einschließlich notwendiger diagnostischer Maßnahmen, Medikamente, Vorsorge und Nachsorge, Heil- und Hilfsmittel, Krankengeldzahlungen und anderes mehr. Aber immer wieder kommt es zu Konflikten bei der Kostenübernahme der Krankenkasse. Wir geben dir einen Überblick, wie das Gesundheitssystem funktioniert, welche Leistungen die Krankenkasse zahlt und wie es bei speziellen Therapiekosten aussieht.
Hier findest du einen Überblick und Vergleich der verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen. Tipps für das Stellen von Anträgen zur Kostenübernahme der Krankenkasse findest du hier.
In Deutschland finanziert sich das Gesundheitssystem über Lohnabgaben und Steuern. Es gibt verschiedene Gründe, weshalb die Finanzierung einer medizinischen Behandlung nicht oder nicht vollständig von den Krankenkassen getragen wird. Der Leistungskatalog der Krankenkassen entscheidet nach Kriterien wie z.B. Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit, welche Behandlungen übernommen werden. Die Grenzen, aber auch Fristen oder den Umfang von Formalitäten setzt der Gesetzgeber. Diese Kriterien sind von aussen nicht immer eindeutig einsehbar, es gibt Grauzonen und immer wieder neue Entwicklungen.
Kostenübernahme Krankenkasse: Was zahlt die Kasse nicht?
Anbei eine Liste an Gesundheitsleistungen, die möglicherweise nicht von der Krankenkasse in Deutschland finanziert werden (Auswahl, kein Anspruch auf Vollständigkeit):
- nicht medizinisch erforderliche Schönheitsoperationen
- Behandlung durch Ärzte, die keine Vertragsärzte der gesetzlichen Krankenkassen sind. Sie behandeln ausschließlich Privatpatienten
- Impfungen für private Reisen, z.B. gegen Tollwut
- Fahrtkosten zum Arzt
- Empfängnisverhütung
- Brille und Kontaktlinsen
- Vollumfänglichen Zahnersatz
- Chefarztbehandlung
-
Alternative Heilbehandlungen und Medikamente
- Akupunktur
- Messung der Knochendichte oder des Augendrucks
- Professionelle Zahnreinigung
- Krankenversicherung im Ausland (es müssen private Versicherungen für den Gesundheitsschutz und die Behandlung im Ausland abgeschlossen werden)
- Periodenprodukte
- Haarwuchsmittel oder Mittel zur Rauch-Entwöhnung
- Vollumfängliche Kuren
- Gesprächspsychotherapien wie Paartherapien
Übernahme bei speziellen Therapiekosten und Grauzonen
Einige Felder der medizinischen Versorgung entwickeln sich kontinuierlich weiter. So ist die Kostenübernahme für alle medizinischen Bedarfe von Transpersonen bisher nicht eindeutig geklärt. Auch in der Psychotherapie, beispielsweise bei der Behandlung von Depressionen, gibt es Neuerungen.
Manche Krankheiten sind noch so neu, dass sich Arzneimittel und Therapien noch im Entwicklungsstadium befinden und nicht in Deutschland zugelassen sind. Auch seltene Krankheiten sind häufig nicht so gut erforscht. Die aufkommenden Kosten werden dann auch nicht oder nur zum Teil von den Krankenkassen übernommen. Andere Länder in der EU haben bestimmte Therapien teils schon freigegeben. Hier gibt es Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz. Eine weitere Option sind sogenannte Härtefallprogramme / Compassionate Use. Hiernach bedarf es keiner Zulassung für bestimmte Arzneimittel, die “kostenlos für eine Anwendung bei Patienten zur Verfügung gestellt werden, die an einer zu einer schweren Behinderung führenden Erkrankung leiden oder deren Krankheit lebensbedrohend ist, und die mit einem zugelassenen Arzneimittel nicht zufrieden stellend behandelt werden können.”
Bestimmte medizinische Studien zu medikamentöser Behandlung schwerer Krankheiten finden in den USA statt. Eine Teilnahme an diesen Studien findet ausschließlich nach Bewerbung und einer Eignungsprüfung statt und muss privat bezahlt werden. Beispiele derzeit sind die Behandlung von Diffuse intrinsische Ponsgliom (DIPG), die seltene Erbkrankheit Spinale Muskelatrophie (SMA) oder Chronisches Erschöpfungssyndrom. Eine Behandlung im Ausland wird in den meisten Fällen nicht bezahlt.
Kostenerstattungsverfahren und Krankengeld
Generell gilt: Alle gesetzlich krankenversicherten Bürger erhalten Krankengeld, wenn sie länger als sechs Wochen wegen derselben Erkrankung krankgeschrieben sind und der Arbeitgeber keinen Lohn mehr zahlt. Was ist bei der Krankschreibung zu beachten? Was müsst ihr tun, um Krankengeld zu bekommen?
Damit ein Anspruch auf Krankengeld besteht, muss der Arzt Euch ohne Unterbrechung krankschreiben. Das heisst, endet eine Krankschreibung an einem Werktag, muss am nächsten Tag erneut zum Arzt gegangen werden. Sonst entsteht eine Anspruchslücke. Die Krankenkasse kann in diesem Fall die Zahlung einstellen. Damit die Krankenkasse zahlt, muss kein gesonderter Antrag gestellt werden, um Krankengeld zu erhalten. Ihre Krankenkasse nimmt Kontakt auf, um die weitere Vorgehensweise abzustimmen. Viele weitere Informationen und Tipps findet ihr bei Finanztip.
Kostenerstattung bedeutet in der deutschen Krankenversicherung, dass Versicherte die erbrachten ärztlichen Leistungen mit den Leistungserbringern (Ärzte, Psychotherapeuten) zunächst direkt abrechnen und diese Kosten anschließend von der Krankenversicherung erstattet bekommen – das Kostenerstattungsverfahren der Krankenkassen. Mehr zu Vor- und Nachteilen findet ihr hier.
Selbsthilfegruppen und Vereine, die helfen
Es existieren eine Vielzahl von gemeinnützigen Vereinen und Selbsthilfegruppen für Betroffene, Angehörige und Eltern.
Die deutsche Krebsgesellschaft informiert zuverlässig zu Krebs, Krebsbehandlungen und wirkungsvollen Therapien nach dem HONcode Standard für vertrauensvolle Gesundheitsinformationen.
So informiert die Allianz Chronischer Seltener Krankheiten als Dachverband zu neuen Entwicklungen und gibt Betroffenen eine Stimme.
Es gibt zudem verschiedene Hilfstelefone, unter deren kostenfreien Nummern Betroffene anonym betreut werden und Hilfe finden:
- Telefonseelsorge: https://www.telefonseelsorge.de/ – 0800/111 0 111 · 0800/111 0 222 · 116 123
- Hilfetelefon bei Gewalt gegen Frauen: https://www.hilfetelefon.de/ – 08000/116 016
Einen Überblick über Hilfsmittel für Menschen mit Behinderung findet ihr hier.
Fundraising für Kosten
Einzelfallhilfe von Stiftungen in Deutschland
Einige Stiftungen helfen Einzelpersonen, die ohne eigenes Verschulden in eine Notsituation geraten sind.
Dies können schwere Erkrankungen sein, Verdienstausfall (siehe hierzu auch LINK GFM Verdienstausfall), die Finanzierung notwendiger medizinischer Geräte oder Situationen wie Hausbrand, Wohnungsbrand oder Überschwemmung. Ihr könnt mit ihnen in Kontakt treten und Anträge auf Unterstützung stellen (Auswahl, kein Anspruch auf Vollständigkeit):
- Clarence und Emma Mielech Stiftung: +49 (0)30 89369520
- Walter Blüchert Stiftung
- Stefan Morsch Stiftung
- Deutsche Krebshilfe
-
Stiftung Antenne Bayern
- Otto und Lonny Bayer Stiftung
-
Kartei der Not
- Franz Beckenbauer Stiftung
-
Professor Herrmann Auer-Stiftung
-
Ernst Prost Stiftung
- ADAC Stiftung
Einzelfallhilfe auf GoFundMe
Jeden Tag werden auf GoFundMe in Deutschland, Österreich und der Schweiz dutzende Spendenaufrufe zu medizinischen Zwecken, für Gesundheitserhalt, in medizinischen Notlagen oder für spezielle Behandlungen gestartet.
Der kleine John aus Deutschland leidet an der seltenen Erbkrankheit SMA. Eine neuartige Gentherapie wurde im Mai 2019 in den USA zugelassen, seit kurzem auch in der Schweiz. Das entwickelte Medikament Zolgensma gilt mit Kosten von 2,1 Millionen US-Dollar als das teuerste Medikament der Welt. Zudem wird das Medikament nur Kindern unter 2 Jahren verabreicht. Mithilfe ihres GoFundMe sammelten Johns Eltern über 26.000 Euro (LINK: https://www.gofundme.com.de/f/love-life-and-hope-john). Infolge der Berichterstattung zur Spendenkampagne entschied die Krankenkasse sich zur Kostenübernahme – bisher einmalig in Deutschland.
Heute starten – für dich selbst oder andere
Unsere Gesundheit ist sehr persönlich. Wenn die Krankenkasse nicht zahlt, wenn es schneller und unkomplizierter Hilfe bedarf, wenn das Kostenerstattungsverfahren bei der Krankenkasse nicht klappt, bei einer Behandlung im Ausland oder bei speziellen Therapiekosten – in diesen Fällen kann eine Online-Spendenkampagne auf GoFundMe die richtige Wahl sein.