Katharina Oguntoye ist Pionierin der der afrodeutschen Bewegung und jahrzehntelang kämpft sie für die Black Community in Deutschland. Sie ist deutsch-Nigerianerin und verbringt ihre Kindheit und Jugend im Heidelberg der 1970er Jahre. Stets die einzige Nicht-Weiße zu sein prägt ihren Alltag und lässt in ihr früh einen starken Willen für einen Kampf entstehen, der sie ihr ganzes Leben begleiten soll. Inspiriert durch Audre Lorde ist sie gemeinsam mit May Ayim Wegbereiterin einer aufkommenden schwarzen Community in Deutschland: Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD), die afrodeutsche Frauengruppe ADEFRA sowie das interkulturelle Netzwerk Joliba e.V. sind neben dem Buch “Farbe bekennen” die Früchte von Katharinas Arbeit.
Katharina Oguntoye wird 1959 in Zwickau geboren. Ihre Mutter hatte ihren nigerianischen Vater an der Universität Leipzig kennengelernt, wo dieser mit einem Partnerschaftsstipendium studiert. 1965, als ihr Vater das Studium beendet, wird er für eine Professur zurück nach Nigeria gerufen. Katharinas Mutter, Katharina und ihr jüngerer Bruder folgen und erleben einige glückliche und für Katharina prägende Jahre in der Idylle einer nigerianischen Universitätsstadt. Hier erfährt Katharina erstmals, was es heißt, nicht anders als alle anderen auszusehen. Hier spürt Katharina, welche Kraft aus dem Zusammengehörigkeitsgefühl einer Gesellschaft entstehen kann.
Doch 1967 bricht der Biafrakrieg aus und Katharinas Mutter entscheidet sich dafür, mit ihr zurück nach Deutschland zu kehren. Während ihr Bruder beim Vater in Nigeria bleibt, wächst Katharina in Heidelberg auf. Heidelberg, ganz im Gegensatz zu Nigeria, bedeutet für Katharina erneut Ausgrenzung und das tägliche Gefühl der Andersartigkeit. Afrodeutsche Menschen sind in den 1970er Jahren in Deutschland quasi “unsichtbar”, wie Katharina es selbst beschreibt. Vernetzung und Organisation gibt es nicht – Katharina ist in der Schule auf sich allein gestellt. Doch diese Diskriminierung, die sie täglich erlebt, lässt in ihr eine unbändige Kraft erwachen.
In den frühen 1980er Jahren geht sie nach Berlin, um ihr Abitur nachzuholen. Obwohl sie auch hier die einzige Afrodeutsche in der Klasse ist, hilft ihr das offene Konzept der Schule, sich stärker am politischen Diskurs zu beteiligen und eine eigene politische Identität zu entwickeln. Berlins multikulturelle und offene Gesellschaft hilft Katharina außerdem dabei, sich ihrer Sexualität bewusst zu werden. So hat sie bald ihr Coming Out als lesbische afrodeutsche Frau.
Inspiriert durch einige Gastvorträge der amerikanischen Menschenrechtsaktivistin Audre Lorde, beginnt Mitte der 1980er Jahre Katharinas aktive Arbeit für eine verstärkte Vernetzung und Community-Bildung der Afrodeutschen. Gemeinsam mit May Ayim und Dagmar Schultz erscheint 1986 “Farbe bekennen”, eine Textsammlung auf den Spuren der Geschichte schwarzer Frauen in Deutschland. “Farbe bekennen” wird ein Klassiker und gilt mittlerweile als eines der Katalysatoren für eine erstarkte afrodeutsche Bewegung.
Mitte der 1980er Jahre nimmt Katharina ein Geschichtsstudium auf und fokussiert sich viele Jahre lang auf die Forschung der Spuren afrodeutscher Lebenswege. Nebenbei initiiert sie gemeinsam mit anderen afrodeutschen Wegbereiter:innen die “Initiative Schwarze Menschen in Deutschland” (ISD), welches das Netzwerk für afrikanische und afrodeutsche Menschen in Deutschland darstellt, auf das Katharina so lange hingearbeitet hatte. Die ISD zählt heute ca. 250 Mitglieder und hat lokale Ortsgruppen in ganz Deutschland verteilt. Relativ zeitgleich gründet sich auch ADEFRA, eine Community für afrodeutsche Frauen – auch hier ist Katharina maßgeblich an der Formierung beteiligt.
1997, nach Beendigung ihres Studiums, ruft Katharina dann ihren eigenen Verein ins Leben. Joliba e.V. bietet Seminare, Workshops aber allen voran Familienhilfe und interkulturelle Feste für afrodeutsche, afrikanische und afroamerikanische Familie und Kinder in Berlin an. Joliba e.V. existiert noch immer, Katharinas unermüdliches Engagement sowie ihr starker Wille, die Arbeit auch in schwierigen finanziellen Zeiten fortzuführen und sich selbst nur geringe Löhne auszuzahlen, sei Dank.
Mehrere Preise und Auszeichnungen, unter anderem das Deutsche Verdienstkreuz, bringen Katharinas langjährigem Kampf für die afrodeutsche Gemeinschaft Anerkennung. Auch ihre fortwährende Arbeit mit Joliba e.V. ist ein weiteres wichtiges Element in Katharinas Leben. Doch seit 2020 leidet sie an Krebs im Lymphsystem und damit verbundener rheumatoider Arthritis. Gemeinsam mit ihrer langjährigen Lebenspartnerin Carolyn Gammon haben die beiden eine Spendenaktion auf GoFundMe gestartet. Ihr neues Zuhause in einem Kreuzberger Gemeinschaftswohnprojekt soll rollstuhlgerecht ausgebaut werden, sodass Katharina weiterhin selbstständig und eigenmächtig leben kann. Fast 62.500€ kamen bereits zusammen, noch 12.500€ fehlen, um die notwendigen Umbaumaßnahmen auch umsetzen zu können.
Doch auch die Krankheit und ihre aktuell eingeschränkte Mobilität können Katharina Oguntoye nicht davon abhalten, ihre Nachricht nach außen zu tragen. 300€ kostet ein Rollstuhltransport für ein Wohnhaus ohne Fahrstuhl (in welchem Katharina und Carolyn zur Zeit noch leben). 300€, die sie gern ausgeben, damit Katharina weiterhin Vorträge und Workshops halten und die afrodeutsche Gemeinschaft langfristig als festen Bestandteil deutscher Kultur zementieren kann.