Marvin Martin

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Moderne Lehmhäuser für Ghana: Wie der Lübecker Student Marvin den ghanaischen Bausektor revolutionieren möchte

Marvin interessiert sich schon immer für nachhaltiges und kostengünstiges Bauen. Deshalb entscheidet er sich, an der TH Lübeck Bauingenieurwesen zu studieren. Doch von Anfang an bleibt es nicht bei der trockenen Theorie. Angespornt durch seinen Professor nimmt er schon im 1.Semester am größten internationalen Wettbewerb für nachhaltiges Bauen von Studierenden teil, dem Solar Decathlon. Mehrere Wochen verbringt er mit seinem Team und vielen anderen studentischen Teams aus der ganzen Welt in Marokko und lernt viel über die dort verankerte traditionelle Stampflehmbauweise – eine Bauweise mit rein natürlich vorkommenden Materialien, die besonders isolierend wirkt und sich auch an extreme klimatische Situationen gut anpasst.

Vier Wochen verbringt er vor Ort, schließt Freundschaften mit Studierenden aus Marokko, Deutschland und der Türkei und nimmt nicht nur den 1.Preis für Architektur und den 2.Preis für Nachhaltigkeit, sondern vor allem viel neues Wissen im Bereich Lehmbau mit. Denn sein erstes modernes Lehmhaus hatte er mit seinem Team vor Ort mit eigenen Händen vom Fundament bis zum letzten Fenster gebaut.

Zurück in Lübeck lässt ihn die Lehmbauweise nicht mehr los. Marvin, dessen Mama aus Ghana stammt und der immer wieder an die Probleme im Bausektor in ihrem Heimatland denkt, möchte seine Erfahrungen aus Marokko nach Ghana bringen. Gemeinsam mit Kommilitone Paul, den er beim Solar Decathlon Wettbewerb in Marokko kennengelernt hat, beginnen sie die Idee für Isopterra zu entwickeln. 

Mit Isopterra wollen die beiden den angespannten Wohnmarkt Ghanas sowie der rasant wachsenden Verbreitung der Zementbauweise vor Ort entgegenwirken. Denn die Materialien für die Zementherstellung müssen importiert werden, Baupreise sind somit stets schwankend und vom Weltmarkt abhängig, fast immer zu Ungunsten der ghanaischen Bevölkerung. Und warum denn überhaupt mit importierten Materialien bauen, wenn es im eigenen Land ausreichend Baumaterialien gibt – und das sogar kostenfrei? Lehm kommt fast überall in Ghana in rauen Mengen vor und kann recht kostengünstig selbst abgebaut werden. 

Marvin und ein Team von lokalen Arbeitern hebt den Brunnen aus.

Marvin, Paul und der letzte Neuzugang im Bunde Isopterras, Josef, wollen mit ihrer Idee zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Sie wollen ein Haus entwickeln, welches mit Abstand günstiger ist als alle gängigen Häuser in Ghana und welches gleichzeitig die immer weniger angewandte und sogar verschriene Lehmbauweise wieder in den Fokus der Gesellschaft rücken soll. Im Oktober 2022 machen die drei Ernst: Sie fliegen nach Ghana, in den Westen des Landes, in die Nähe der Geburtsstadt von Marvins Mutter, in das kleine Fischerdorf Butre, wo sie ihr Musterhaus bauen wollen.

Im Januar 2023 ist die Fläche vorbereitet und der erste Grundstein aus Lehm in marokkanischen Stampfbauweise gelegt. Insgesamt 16 Studierende aus mehreren Ländern haben an dem Entwurf des Isopterra-Hauses mitgewirkt, am Bau sind auch ghanaische Studierende sowie Bewohner*innen aus dem Dorf, die ihr Wissen zur Lehmbauweise einbringen, beteiligt. Trotzdem ist das Isopterra-Musterhaus ein modernes Haus mit ghanaischen Stilelementen, ein Haus für die junge ghanaische Familie. Ein Haus, welches den verkommenen Ruf der traditionellen Lehmbauweise im Land aufwerten und die wachsende Mittelklasse des Landes wieder für die eigene Baukultur begeistern soll. 

So soll das Isoptera-Musterhaus aussehen, wenn es fertig ist.

Nach der Fertigstellung des Musterhauses sind auf dem Areal in Butre weitere Gebäude geplant. Es sollen Workshops zum Bauen mit Lehm von lokalen Expert*innen vor Ort gegeben werden. Ziel ist es, das über die Generation weitergegebene Lehmbau-Wissen zu erhalten und der breiten Bevölkerung in Ghana den Lehmbau näherzubringen. Das Isopterrahaus ist modular und vielfältig veränderbar. Ghana hat mehrere Klimazonen und verschiedene ethnische Gruppen, es kann also nicht das eine Haus geben, welches für alle Ghanaer:innen passt. 

18.000€ soll das Musterhaus kosten, das Geld dafür sammelt Marvin auf GoFundMe. Doch langfristig möchte das Isopterra-Team die Baukosten auf ca. 7.000€ senken. In einem Land, in dem die meisten Einfamilienhäuser zwischen 15.000 und 25.000€ kosten, wäre dies revolutionär und würde vermutlich sehr vielen Menschen helfen, aus prekären Wohnverhältnissen auszuziehen und sich endlich ein wertiges Eigenheim leisten zu können. 

Das ist allerdings eine Vision in weiter Zukunft. Zurzeit will sich Marvin und sein Team auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Er genießt es, seine Ideen umsetzen zu können und dabei noch viel zu lernen, insbesondere von der Gemeinde des Dorfes Butre. Mal sehen, wohin es mit Isopterra noch geht.

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